Unser Objekt des Monats August umfasst zwei Schablonen und zwei Futtersäcke. Die Schablonen bestehen aus dünnem, leichtem, biegbarem Blech. Rund um die ausgestanzte Schrift „E. Freund.“ auf der einen Schablone und „Themar“ auf der anderen befindet sich eine dunkle, einst feste und ölige, jetzt bröckelige Farbpigmentschicht (Abb. 1-2). Grüne und graue Farbpigmente, mal abgetrennt, mal fest verbunden mit der dunklen Farbe rund um die Buchstaben, gehen in eine ebenfalls stark fleckige Oberfläche der Schablone über. Ein hell- und dunkelgrauer verwaschener Anblick mit weißen Flecken. Es müssen schon etliche chemische Reaktionen auf diesem Stück verzinktem Metall stattgefunden haben, die diese Farbenwelt erklären könnten. Dank dem Zink ist von Rost keine Spur.
Schablonen waren vielseitig verwendbar. Der Einsatz von Schablonen ist in der Wandmalerei seit vielen Jahrhunderten bekannt.
Unsere Metallschablonen waren vermutlich für die Beschriftung von Futtersäcken im Einsatz. Die vielen Farbreste weisen darauf hin, dass die Schablonen nach dem Gebrauch nicht sorgfältig gereinigt wurden. Die Reinigung einer Wandschablone war nach jeder Nutzung entscheidend, damit das Leinöl nicht mit anderen Farben in chemische Reaktion trat und die Schablone wieder verwendet werden konnte. Unsere Schablonen waren also vermutlich nur für einen Zweck im Gebrauch: für die Beschriftung von Säcken. Eine Mischung aus Leinöl, Ruß und Kolophonium wurde mit einem runden Pinsel durch die Schablone getupft. Die gleiche Technik wurde auch bei der Wandmalerei verwendet. Mit Streichen hätte man all die kleinen Details einer Schablone nicht genau und gleichmäßig ausfüllen können. Anstatt Streichen wurde die Farbe mit einem runden Pinsel mit mehreren kleineren und leichteren Bewegungen draufgetippt. Der Futtermittelhersteller Emil Freund aus Themar hat ab 1890 seine Säcke mit Hilfe dieser Schablonen beschriftet und verkauft. Von demselben Futtermittelhersteller haben wir außer den Schablonen auch Futtersäcke in unserer Sammlung (Abb. 3-4). Die Beschriftung dieser Säcke geben die gleiche Information wie die Schablonen: „E. Freund“ und „Themar“, aber in einer anderen Schriftart und Technik. Sie wurden mit Druckstöcken bedruckt.
Bei der Beschriftung von Säcken haben Schablonen und Druckstöcke das Handwerk der Sackmalerei abgelöst. Als Störhandwerker zogen die Malmeister durchs Land, um Säcke zu bemalen und zu beschriften.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren Säcke und deren Bezeichnung aus verschiedenen Gründen gesellschaftlich äußerst bedeutungsvoll. Nach der Zeit der Bauernbefreiung durften Bauern endlich ihr eigenes Mehl in der Mühle mahlen lassen. Bauern haben die Leinensäcke mit ihrem Namen, einer Jahreszahl und einer Nummer versehen. Außer dem Namen auf dem Sack war die Nummer besonders wichtig, weil die Anzahl der besessenen Säcke den Wohlstand der Familie zeigte. Dies kam zum Beispiel bei der Abgabe der Leinensäcke in der Mühle oder bei der Übergabe der Mitgift zum Vorschein.
Jedoch deuten unsere Säcke auf eine andere gesellschaftliche Entwicklung hin: auf die beginnende Kommerzialisierung von Mehl- und Futtermitteln. Die Beschriftung der Säcke mit dem Namen der Firma diente also der Vermarktung eines Produkts. Die Säcke wurden aus dem Material Sisal hergestellt. Das importierte Material, das wie eine gedrehte Schnur aussieht, wurde im Köpergewebe maschinell gewebt. Durch ihre Robustheit waren solche Säcke besonders gut für den Transport von Futtermitteln geeignet. Diese Eigenschaft war für die Firma E. Freund auch wichtig, da sie sich sogar über ein eigenes Bahnlagerhaus mit Gleisanschluss verfügte.
Säcke waren also nicht nur praktisch zur Lagerung und zum Transport von Mehl, Früchten oder Futtermitteln. Anhand der Bezeichnung auf den Säcken können wir bedeutungsvolle historische Ereignisse und soziale Verhältnisse nachvollziehen.
Erika Mosonyi
Vielen Dank für den kollegialen Austausch mit Frau Rock beim Keltermuseum Unterjesingen!
Schablonen
Zinkblech, gestanzt
Höhe: 46,5 cm, Breite: 19 cm, Tiefe: 1 mm (I 430 a); Höhe: 35 cm, Breite: 16,5 cm, Tiefe: 1 mm (I 430 b)
HMKV, Inv.-Nr. I 430 a-b
Futtersäcke
Sisal, maschinell gewebt (Köperbindung)
Höhe: 135 cm, Breite: 57,5 cm, Tiefe: 1 cm (I 430 a); Höhe: 148 cm, Breite: 76 cm, Tiefe: 1 cm (I 430 b)
HMKV, Inv.-Nr. I 431 a-b
Literatur
Schindler, Thomas: Handwerkzeug und bäuerliches Arbeitsgerät in Franken. Bestandskatalog des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, Bad Windsheim 2015, S.259.
https://www.sackmuseum.de (aufgerufen am 18.04.2023).
https://www.keltermuseum-unterjesingen.de (aufgerufen am 18.04.2023)
https://www.kulturhaus-kopfing.info/geschichte-in-geschichten/erinnerungen-entwicklungen/mehls%C3%A4cke-erz%C3%A4hlen/ (aufgerufen am 27.04.2023)