Seitdem ich am 1. April 2020 die Leitung dieses Museums übernommen habe, ist kein Arbeitstag vergangen, an dem ich nicht mit dem unermüdlichen Schaffen des ehemaligen Direktors Dr. Günther Wölfing in Berührung gekommen bin. Egal wohin ich mich drehe und wende, überall im Museum treffe ich auf die Handschrift dieses Historikers, der von 1978 bis 2003 im Hennebergischen Museum Kloster Veßra gearbeitet hat und ab 1995 dessen Leiter gewesen ist.
Sogar auf diesem unscheinbaren Kleiderbügel, den ich auf der Suche nach möglichen Ausstellungsobjekten für unsere Jubiläumsausstellung zufällig entdeckt habe, ist sein Name verewigt. Auch wenn die Recherchen zu diesem Kleiderbügel ins Leere gelaufen sind und ich keine spannende Objektgeschichte präsentieren kann, ist es ein guter Anlass und mir eine Ehre, noch einmal an die Leistungen des im August 2019 verstorbenen ehemaligen Museumsdirektors zu erinnern.
Günther Wölfing absolvierte an der Universität Jena einen Lehramtsstudiengang und wurde 1968 mit einer Arbeit zu den Städten Schmalkalden, Wasungen und Meiningen im Spätmittelalter promoviert. Nach einigen Jahren seiner Tätigkeit als Lehrer wechselte er 1978 an das Hennebergische Museum, das damals noch als Agrahistorisches Museum des Bezirks Suhl bezeichnet wurde. Hier oblag ihm unter anderem die Aufgabe, das Museumskonzept grundsätzlich zu überarbeiten und stetig weiterzuentwickeln. Seit dem Wechsel des Arbeitsortes galt sein wissenschaftliches Arbeiten im Museum besonders der Erforschung der Geschichte Kloster Veßras und seiner Stifter, den Henneberger Grafen. Diese beiden Themen, in denen er Grundlagenarbeit leistete und unzählige Beiträge publizierte, sollten ihn von da an zeitlebens begleiten.
Seine Forschungsergebnisse blieben jedoch nicht nur der Wissenschaft vorbehalten, sie wurden auch den Besuchern des Museums zugänglich gemacht. Unsere mehr als 40 Jahre alte Ausstellung zur Klosterge-schichte ist inhaltlich von Günther Wölfing erarbeitet worden.
Auch an der 1994 im Museum eröffneten Ausstellung „Henneberg durch Land und Zeit“, die in Vorbereitung auf das 1996 gefeierte Jubiläum „900 Jahre Henneberger Land“ eröffnet wurde, war Günther Wölfing maßgeblich beteiligt.
Das Wirken Günther Wölfings reichte jedoch weit über die Mauern des Museums hinaus. Unter anderem ist seiner Initiative die Wiedergründung des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins (HFG) im Jahr 1990 zu verdanken, dessen Vorsitzender er bis 2002 war. Ebenso gebührt ihm ein großer Anteil an der Sicherung des Fortbestandes des Museums. Er setzte sich dafür ein, dass nach dem Wegfall des Bezirkes Suhl der Hennebergisch-Fränkische Geschichtsverein der neue Träger des Museums wurde und dieses bei seiner inhaltlichen Arbeit unterstützt.
Bereits im (Un)Ruhestand legte Günther Wölfing im Jahr 2010 DAS zentrale Werk seiner langjährigen Forschungen vor. Der mehr als 700 Seiten umfassende Regesten-Band zu Kloster Veßra bildet die Basis für alle weiteren Forschungen zum ehemaligen Prämonstratenserstift. Nicht mehr vergönnt war ihm, sich den Wunsch zu erfüllen, seine Forschungen zur Klostergeschichte in einer Monografie zusammenzufassen.
Angesteckt von seinem Eifer und Forscherdrang fühle ich mich als Direktorin des Hennebergischen Museums und passionierte Mittelalterhistorikerin geradezu herausgefordert, die von Dr. Wölfing gesponnenen Fäden wieder aufzunehmen und weiterzuführen sowie seine Forschungsergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Einen ersten Schritt zur Realisierung dieses Ziels macht das Museumsteam in diesem Jahr mit der Sonderausstellung „Weiße Mönche im grünen Tal – Die Prämonstratenser in Kloster Veßra“ (16. Mai – 7. November 2021). Meine Vision besteht darin, spätestens zum 900. Gründungsjubiläum des Klosters im Jahr 2031 eine neue Dauerausstellung zur Klostergeschichte präsentieren zu können.
Mehr zu dieser Vision und dem zugehörigen Zukunftsprojekt erfahren Sie in der Ausstellung in dem Beitrag „Kleines Kino, große Pläne!“.
Halten Sie mich gern für verrückt, aber der Regesten-Band von Dr. Wölfing zählt derzeit zu meinen Lieblingsbüchern, der mich auch in meiner Freizeit begleitet. Dank dieses Buches erschließe ich mir fast täglich einige Urkunden und grabe mich immer tiefer in die Forschungsarbeit von Dr. Wölfing und in die Geschichte des Klosters Veßra hinein, um dem Ziel einer modernen Ausstellung zur Klostergeschichte täglich einen Schritt näher zu kommen.
Inwiefern es dem Museumsteam zusammen mit dem Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsverein gelingen wird, die Forschungsarbeiten eines Tages zu bündeln und Dr. Wölfing den Wunsch nach einem Gesamtwerk zur Klostergeschichte posthum zu erfüllen, wird die Zeit zeigen.
Kleiderbügel „Dr. Wölfing“
Holz, Metall
Höhe: 14,8 cm, Breite: 41,7 cm, Tiefe: 1,2 cm
HMKV, Inv.-Nr. I 226
Autorin: Claudia Krahnert, Direktorin