Arbeitsjacke „Graue Maus“, VEB Wattana, 1980er Jahre
Baumwolle, Kunststoff
Höhe: 88 cm, Breite: 53 cm
HMKV, Inv.-Nr. I 225
Autorin: Dr. Meike Leyde, Sammlung/Bibliothek
An einem meiner ersten Arbeitstage am Hennebergischen Museum Kloster Veßra vor nunmehr zwei Jahren entdeckte ich hinter einem Regal in der Bibliothek diese „Graue Maus“: keine echte Maus glücklicherweise, sondern eine verstaubte, graue Jacke.
Noch unwissend, dass es sich bei der verschmutzten Jacke um einen textilen Klassiker der DDR-Alltagskultur handelt, trug ich sie dennoch in die Sammlung, um sie zu inventarisieren. Bei genauerem Hinsehen kam auf der linken Brust der verblasste Schriftzug „Bibliothek“ zum Vorschein. Offensichtlich handelte es sich um die Arbeitsjacke einer meiner Vorgängerinnen. In den vergilbten Kunststoffkleiderbügel, auf dem die Jacke hing, war „Engi“ eingeritzt. Es konnte also nur die Arbeitsjacke von Marianne Engelbert sein, die zwischen 1990 und 2009 am Museum arbeitete und zum Beispiel den Beitrag über die Bibliothek des Hennebergischen Museums Kloster Veßra im „Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland“ geschrieben hat.
Die Wattejacke „Graue Maus“ war in der DDR DIE Arbeitsjacke schlechthin. Auch im Freilichtmuseum in Kloster Veßra wurde sie jahrzehntelang von Museumshandwerkern, Gärtner*innen und Mitarbeiter*innen der Verwaltung getragen.
Bei gemeinsamen Arbeitseinsätzen zum Beispiel vor Museumsfesten oder bei jährlichen gemeinsamen Großputzaktionen sowie bei der täglichen Arbeit auf dem 6 Hektar großen Museumsareal ist Arbeitskleidung nach wie vor unverzichtbar.
In der DDR war der VEB Wattana in Hohenstein-Ernstthal der einzige Betrieb, der wärmende Wattejacken herstellte. 24 Minuten dauerte die Produktion einer Jacke, 4400 Stück wurden damals am Tag produziert. „Funktion geht vor Form“ war der Leitgedanke bei der Herstellung. Die äußerst schlicht und geradlinig geschnittene Jacke mit Kragen, Knopfleiste mit fünf Knöpfen, zwei Seitentaschen und einer Innentasche wurde von Männern und Frauen gleichermaßen getragen. Den Namen „Graue Maus“ bekam die Jacke wegen des verwendeten hellgrauen Baumwollstoffs, auch das wattierte Innenfutter ist grau. 1992 wurde der VEB Wattana von der Treuhand übernommen und privatisiert. Bis heute stellt die Firma, seit 2010 Wattana GmbH, Arbeitsschutzkleidung zum Beispiel für Polizei und Militär her. Die Produktion der „Grauen Maus“ wurde jedoch eingestellt.
Weiterführende Literatur:
Marianne Engelbert, Felicitas Marwinski, Kloster Veßra – Bibliothek des Hennebergischen Museums, in: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Bd. 20, Hildesheim/Zürich/New York 1999, S. 232–234.
Bastian Brandau, Sächsische Traditionsfirma Wattana. Mögliches Comeback der textilen Grauen Maus, Online-Ressource: https://www.deutschlandfunk.de/saechsische-traditionsfirma-wattana-moegliches-comeback-der.1197.de.html?dram:article_id=466749 (aufgerufen am 21.09.2020).
Vom »VEB« zur Marktwirtschaft: Unternehmen und die Wende, Online-Ressource: https://www.berlin.de/aktuelles/berlin/5970233-958092-vom-veb-zur-marktwirtschaft-unternehmen-.html (aufgerufen am 21.09.2020).
Online-Ressource: https://www.wattana.de/wattana/geschichte/ (aufgerufen am 21.09.2020).