„Komm zu mir, mein Lockenköpfchen,
Setz auf meinen Schoß dich nieder,
Hörst ja gerne, wenn ich singe,
Hörst ja gern die alten Lieder!“
Freundlich lächelnd spricht die Kleine:
»Wart, ich will die Zither bringen;
Denn da klingt’s noch mal so lustig!«
Und ich fange an zu singen: […]“
aus dem Gedicht Lockenköpfchen von Theodor Storm (1817–1888)
Klangvoll, leicht erlernbar, erschwinglich – Die Thüringer Waldzither und der Instrumentenbauer Theodor Heym (1887–1946)
Die Sammlung des Hennebergischen Museums Kloster Veßra umfasst einen kleinen, bedeutenden Bestand historischer Musikinstrumente. Darunter sind mehrere Thüringer Waldzithern und Instrumentenzubehör. Kaum bekannt ist, dass in der Museumssammlung auch die Hohlformen, sogenannte Modeln, die für die Herstellung des Instruments benötigt werden, aus der Werkstatt des Suhler Instrumentenbauers Theodor Heym (1887–1946) bewahrt werden. Anlässlich des Thüringer Waldzithertags am 4. September 2022 im Hennebergischen Museum Kloster Veßra stellen wir aus unserem Museumsbestand ausgewählte Objekte vor.
Das Zitherspiel und der Musikinstrumentenbau haben in Thüringen eine lange Tradition, die Quellen reichen zurück bis ins 16. Jahrhundert. Das Wissen um die Herstellung und das Spiel des klangvollen, zumeist von Gesang begleiteten Volksinstruments wurde von Waldarbeitern und Bergleuten von Generation zu Generation weitergegeben. Die Bezeichnungen „Thüringer Zither“ und „Waldzither“ wurden Mitte des 19. Jahrhunderts gebräuchlich. Im Unterschied zur Zither, einem Tischinstrument, zählt die Waldzither zu den Kastenhalslauten und ist ein Zupfinstrument aus der Familie der Cistern. Mit der deutschen Wandervogelbewegung gewann die Waldzither an Beliebtheit und Verbreitung.
In Suhl am Rande des Thüringer Waldes hat sich um 1900 ein regelrechtes Zentrum der Thüringer Waldzither herausgebildet. Einer der drei bekanntesten in Suhl ansässigen Instrumentenbauer war Theodor Heym (1887–1946). Der gelernte Gewehrschäfter war zunächst in der Suhler Waffenfabrik „Sauer & Sohn“ tätig, bis er durch seinen Onkel, den Instrumentenmacher Friedrich Ludwig Möller (1832–1917), zum Cisternbau kam. Nach Möllers Vorbild hat Theodor Heym ab 1906 Waldzithern gebaut. 1919 erhielt er vom Suhler Stadtrat die Gewerbeerlaubnis als selbständiger Instrumentenbauer. In seiner „Kunstwerkstätte für handgearbeitete Original-Thüringer-Wald-Zithern“ (Abb. 1) sind bis zum Jahr 1933 mehr als 800 Instrumente entstanden. Sie wurden nach ganz Deutschland und auch ins Ausland verkauft.
Die hier gezeigte Waldzither von Theodor Heym (Abb. 2-3) hat einen tropfenförmigen, flachen Korpus, ein schwarz gebeiztes Griffbrett mit 17 festen Bünden aus Messing und einen langen Wirbelkasten mit neun Flankenwirbeln mit Kunststoffknöpfen. Die neun Metallsaiten der Waldzither sind doppelchörig angeordnet (4 x 2 und 1 x 1) und in einem Dur-Akkord gestimmt, wodurch sich der charakteristische, volle Waldzitherklang ergibt. Die Saiten sind an einem lyraförmigen Saitenhalter aus Neusilber befestigt, in den die Signatur des Instrumentenbauers graviert ist: „Th. Heym Suhl Thüringer Wald“. Auch der Steg, über den die Saiten geführt werden, besteht aus Neusilber und nicht aus Holz. Charakteristisch für die Waldzithern von Theodor Heym ist das Schalllochdekor: ein gemalter schwarz-roter Zierring, flankiert von je zwei konzentrischen schwarzen Kreisen. Nicht erhalten hat sich die ursprünglich in das Schallloch geklebte dünne Gaze mit einem aufgeklebten goldfarbenen Papierstern. Derartige Papiersterne aus Heyms Werkstatt befinden sich in der Museumssammlung. Die helle Korpusdecke der Waldzither ist zum Rand hin mit zwei parallelen schwarzen Linien bemalt. Zarge und Korpusboden sind dunkel gebeizt. Das Griffbrett ist am Ende halbrund ausgeschnitten und rot gefärbt. Drei sogenannte Tonpunkte aus Perlmutt sind in das Griffbrett eingelassen, das getragen wird von einem außermittig, nur unter der linken Seite des Griffbretts liegenden Hals.
Theodor Heyms Werk umfasst eine ganze Instrumentenfamilie von kleinen Waldzithern (heute als Kinderwaldzithern bezeichnet) bis zu großen Streichbasszithern. Neben tropfen- oder birnenförmigen Waldzithern hat er gitarrenförmige gebaut. Sechs der zugehörigen Modeln aus Heyms Werkstatt werden in unserer Museumssammlung bewahrt. Im Bild zu sehen ist eine Model für eine gitarrenförmige Waldzither (Abb. 4). Die Model (Abb. 5) für eine kleine Waldzither (Kinderwaldzither) besteht aus drei Teilen, der eigentlichen Form aus Fichtenholz und zwei jüngeren Holzeinsätzen. Die Modeln dienten zum Pressen und Spannen des Holzes.
Die Kinderwaldzither (Abb. 6-7) stammt von dem Suhler Waldzitherbauer Hilmar Günther (1930–2015), der Theodor Heyms Instrumente zum Vorbild nahm und die Tradition der Thüringer Waldzither lebendig hielt. Für zarte Kinderhände sei das Instrument mit doppelchörig angeordneten Stahlsaiten jedoch kaum spielbar. Der gelernte Tischler und Jagdgewehrschäfter Hilmar Günther arbeitete nach einem Studium der Kulturwissenschaft als Leiter des Bezirksfolklorezentrums im Bezirkskabinett für Kulturarbeit Suhl. 2003 begründete er die Suhler Cister-Symposien am Suhler Waffenmuseum mit, die bis heute alle zwei Jahre vom Verein Freunde und Förderer der Waldzither e. V. ausgerichtet werden (https://www.waldzither-ev.de/).
In absehbarer Zeit soll der gesamte Museumsbestand zum Thema „Thüringer Waldzither“ über unsere Sammlungsdatenbank digiCULT.web online öffentlich zugänglich sein. Bis es soweit ist, können am Thüringer Waldzithertag, am 4. September 2022, im Hennebergischen Museum Kloster Veßra einige Objekte im Original bestaunt werden.
Dr. Meike Leyde
Doris Eckhardt (Waffenmuseum Suhl) danke ich für wertvolle Informationen.
Literatur
Julien, Rose: Von einer verschollenen deutschen Zither, in: Die Wochenschau (7. Dezember 1918) 49, S. 786.
Wobersin, Walter: Die Thüringer Waldzither. Ein Beitrag zur volkstümlichen Musikpflege, in: Zeitschrift für Instrumentenbau 45/1 (1924), S. 676–677.
Michel, Andreas: Studien zur Geschichte der Zister in Deutschland (Akademie der Wissenschaften der DDR, Forschungsbereich Gesellschaftswissenschaften, Diss., 1989), Berlin 1989.
Michel, Andreas/Bezirkskabinett für Kulturarbeit Suhl – Bezirksfolklorezentrum (Hrsg.): Cither, Cithrinchen, Zister. Beiträge zur Geschichte eines traditionellen Musikinstrumentes in Deutschland, Suhl 1989.
Michel, Andreas: Zistern in der traditionellen Musik Sachsens und Thüringens, in: Studia instrumentorum musicae popularis 10 (1992), S. 81–90.
Wiktor, Hartmut: Die Waldzither in Suhl. Geschichte und Geschichten eines Musikinstrumentes (Kleine Suhler Reihe 34), Suhl 2011.
Michel, Andreas/Schmidt, Lena/Dentler, Jonathan C.: Musikinstrumentensammlung Herbert Grünwald – Zistern – Sonderausstellung Suhl 2011 Katalog, Suhl 2011.
https://www.rennsteig.tv/heimatkunde-thueringer-waldzither/; https://vimeo.com/421138238 (aufgerufen am 15.08.2022).
Nitsche, Sabine: Emil und die Waldzither, Schleusingen 22022 (Kinderbuch).
Thüringer Waldzither, 1. Drittel 20. Jahrhundert
Theodor Heym (1887–1946), Suhl
Holz (Fichte, Ahorn), dunkel gebeizt, bemalt; Neusilber, graviert; Messing; Perlmutt; Kunststoff
Gesamtlänge: 70 cm, Korpuslänge: 36 cm, Gesamthöhe: 9 cm, Zarge: 6,7 cm, Korpusbreite: 26 cm
HMKV, Inv.-Nr. II 8042
Abb. 2-3, 6 rechts



Model für eine gitarrenförmige Waldzither, 1. Drittel 20. Jahrhundert
Theodor Heym (1887–1946), Suhl
Fichtenholz, Metall
Länge: 73 cm, Breite: 29 cm, Höhe: 7,5 cm
HMKV, Inv.-Nr. II 8054
Abb. 4

Kinderwaldzither, um 1985
Hilmar Günther (1930–2015), Suhl
Holz, Metall
Gesamtlänge: 43,5 cm, Korpuslänge: 21 cm, Korpusbreite: 13,5 cm, Gesamthöhe: 6 cm, Zarge: 3,5 cm
HMKV, Inv.-Nr. III 1854
Abb. 6 links, 7


Model für eine Kinderwaldzither, 1. Drittel 20. Jahrhundert
Theodor Heym (1887–1946), Suhl
Fichtenholz, Metall
Länge: 33 cm, Breite: 17 cm, Höhe: 4,5 cm
HMKV, Inv.-Nr. II 8052
Abb. 5

