Mut machende Sprüche und gute Ratschläge begleiten uns vielfach durch unseren Alltag. Wir bekommen sie über Social Media oder Apps auf unsere Smartphones gespielt oder stecken sie gelegentlich als gedruckte Postkarten an unsere Pinnwand. Ein kurzer Blick auf den Sinnspruch genügt, damit wir aufgeheitert werden.
Früher hingen Sinnsprüche als gerahmte Bilder unter Glas an den Wänden von Fluren, Wohnküchen und guten Stuben. Die gestickten Sprüche wurden als Haussegen oder Wandschmuck zur Hochzeit geschenkt und stets in Ehren gehalten.
Die beiden gerahmten Stickbilder im Hochformat zeigen typische Sprüche aus dem Alltag vom Ende des 19. Jahrhunderts. Sie weichen in Details wie der Rahmung und dem Bilduntergrund voneinander ab, sind jedoch inhaltlich als Pendants ausgebildet.
„Rein wie der hellste Edelstein ist Mutterliebe ganz allein“ und „Der Vater sorgt mit vieler Müh, für seine Kinder spät und früh.“, ist dort zu lesen. Die Sprüche sind in Chenille- und Goldfäden gestickt auf geprägtes Perlmuttpapier bzw. auf Papierkanevas, ein maschinell mit Löchern versehenes Papier. Das Papier bildet auch den Untergrund für applizierte Bilder aus geprägtem Zelluloid. Die gefärbten Zelluloidbilder zeigen einerseits die Mutter in der Natur sitzend mit ihren beiden Kindern und andererseits den Vater auf einer Bank sitzend mit einem Kind auf dem Schoß, während die ältere Tochter aus einem Buch vorträgt. Der cremefarbige Grundton der Zelluloidbilder sollte teurere Materialien wie Elfenbein, Horn oder Perlmutt imitieren. Mit Fäden sind sie am Untergrund befestigt. Gestickte und gemalte Blumenranken umspielen dekorativ die Zelluloidbilder.
Papierkanevas mit Sinnsprüchen wurden als Halbfabrikate angefertigt und in Heimarbeit fertiggestellt. So waren sie für viele Haushalte erschwinglich. Zur Ermahnung und Erbauung wurden sie in heimischen Wohnzimmern aufgehängt. Sie erinnerten an Tugenden wie in unserem Objekt des Monats an die Mutterliebe oder ermahnten zu fürsorglichem Verhalten des Vaters. Ein klassisches Rollenverständnis von Familie Ende des 19. Jahrhunderts kommt in den Bildern zum Ausdruck.
Passend zum Vatertag am Donnerstag, dem 26. Mai 2022, können Sie das Original-Objekt in der guten Stube unseres Fachwerkhauses aus Eicha bewundern.
Wandschmuck: Sinnspruch für Mütter, Sinnspruch für Väter, um 1890
Stickerei auf Papierkanevas bzw. geprägtes Perlmuttpapier
Chenillefäden, Goldlamé, Zelluloidprägung, Bemalung
Bez.: „Rein wie der hellste Edelstein ist Mutterliebe ganz allein“ (II 1750), „Der Vater sorgt mit vieler Müh, für seine Kinder spät und früh.“ (II 1751)
Maße: 48 cm x 38,5 cm (mit Rahmen)
HMKV, Inv.-Nr. II 1750, II 1751
Literatur
Sölter, Ulf (Hrsg.): Edelweiß und Goldlamé. Gestickte Haussegen auf Luxuspapier 5.6.–23.10.2016 Clemens Sels Museum Neuss, Feld-Haus – Museum für populäre Druckgrafik, Neuss 2016, S. 8, 27.
Michel von Dungern, Simone/Museum Malerwinkelhaus Marktbreit (Hrsg.): Wände sprechen Bände. Sprüche für das Heim: gestickter Wandschmuck von einst und moderne Wandtattoos, Marktbreit 2016.
Pieske, Christa: Das ABC des Luxuspapiers. Herstellung, Verarbeitung und Gebrauch 1860 bis 1930, Berlin1983, S.147f.
Stiller, Eva/Pfistermeier, Ursula: Gestickte Sprüche für Haus und Küche, Frankfurt a. M. 1979, S. 112–113.