
Pyramide, 1983-1985
Wolfgang Queck, Lauscha/Thüringen
Holz, gesägt, gedrechselt, geleimt; Messing
Höhe: 127 cm
HMKV, Inv.-Nr. I 338
Literatur
Tina Peschel/Dagmar Neuland-Kitzerow: Weihnachtspyramiden. Tradition und Moderne, in: Schriftenreihe Museum Europäischer Kulturen Bd.12, Berlin 2021.
Die gleichmäßige Drehbewegung einer Weihnachtspyramide hat etwas Beruhigendes wie auch etwas Faszinierendes und lässt den stressigen Alltag vergessen. Warmes Kerzenlicht schafft eine gemütliche und festliche Stimmung.
Weihnachtspyramiden sind zu einer unverzichtbaren Größe der deutschen Weihnachtstradition geworden. Ihre Herstellung und ihr Gebrauch sind Bestandteil der Volkskunst vor allem im Erzgebirge.
Die Entstehung der Weihnachtspyramide geht bis ins Mittelalter zurück. In dieser Zeit wurde es in Süd- und Westeuropa üblich, immergrüne Zweige in der Wohnung aufzuhängen, um in der dunklen Zeit Unheil abzuwenden. In Nord- und Osteuropa hingegen nutzte man dafür die Kraft des Lichtes.
Die Weihnachtspyramide vereinte beide Bräuche und wurde vor allem im Erzgebirge zu einem Symbol für das Weihnachtsfest.
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts löste der Weihnachtsbaum als Mittelpunkt der häuslichen Weihnachtsfeier die Pyramide ab. Deshalb geriet diese beinahe in Vergessenheit, hätte es nicht die Drehpyramide mit Flügelrad aus dem Erzgebirge gegeben. Damit konnte sich dieser Pyramidentyp neben dem Weihnachtsbaum behaupten, auch weil die Pyramiden bereits in der Adventszeit aufgestellt werden können.
Eine ungewöhnliche Weihnachtspyramide stammt aus dem Thüringer Wald, aus der Geburtsstadt des gläsernen Christbaum- und Weihnachtsschmucks: Lauscha.
Es handelt sich um eine handgefertigte Stockwerkspyramide, die als Laubsägearbeit hergestellt wurde. Über einer sechseckigen Grundplatte erheben sich vier, sich nach oben verjüngende Etagen, die von gedrechselten Säulen getragen werden. Dadurch wird von allen Seiten ein guter Blick auf die Figuren im Inneren der Pyramide ermöglicht. Die Säulen sind stockwerkübergreifend gestaltet, indem auf der folgenden Grundplatte die Spitzen der Säulen sitzen. In der Mitte der Pyramide befindet sich eine senkrecht verlaufende Welle, an der vier bewegliche Teller befestigt sind. Zum Abschluss des Pyramidenaufbaus erhebt sich über einer Halbkugel der Pyramidenkopf, in den die einzelnen Flügel eingesteckt sind. Der Pyramidenkopf schließt oberhalb der Flügel mit einer gedrechselten Spitze ab und unterhalb umgibt ihn eine Platte, an der gedrechselte Stäbe hängen. Vermutlich erzeugen diese ein Geräusch, wenn sie sich durch die aufsteigende warme Luft der Kerzen, an der Außenseite der Pyramide, bewegen. Der durch die Kerzen entstehende Luftzug setzt auch das Flügelrad, die Welle und damit die Teller in eine Drehbewegung. Die Kerzenhalter sind über die Etagen versetzt angeordnet, sodass alle Lichter in ihrer Staffelung gut zu sehen sind und ein vorzeitiges Abschmelzen der Kerzen verhindert wird. Auf jeder Etage sind die Drehteller zwischen den Säulen von Pyramidenzäunen mit einem vegetabilen Ornament umgeben. Nach oben schließt jede Etage am Rand der Grundplatte mit einer Zierleiste ebenfalls zwischen den Säulen und mit einem vegetabilen Ornament ab.
Das Figurenprogramm umfasst geschnitzte Figuren, Bäume, Schlitten sowie Holzstapel und orientiert sich an dem klassischen Motiv erzgebirgischer Weihnachtspyramiden, den Bergleuten. Die heutige Anordnung der Figuren ist frei erfunden und entspricht nicht dem Original. Die originale Aufstellung ist nicht überliefert.
In den 1980er Jahren wurde diese Weihnachtspyramide mit traditionell erzgebirgischen Bildprogramm von einem Kunsthandwerker aus Lauscha/Thüringen hergestellt. Als Schauhandwerker war dieser Teil der Zunftstraße der Handwerkskammer Südthüringen, die vom Bezirkskabinett für Kulturarbeit Suhl fachlich geleitet wurde. Im Zuge dessen ist wohl auch dieses schöne Beispiel der weihnachtlichen Volkskunst entstanden. 1994 gingen die Objekte des Bezirkskabinetts für Kulturarbeit Suhl, so wie diese Weihnachtspyramide, in den Besitz des Hennebergischen Museums Kloster Veßra über.