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Mit Liebe und Verstand zum perfekten Rasen

Das Herstellen, Erfinden, Umnutzen und Erhalten von Dingen im privaten Kontext ist keine moderne Erscheinung. Schon immer haben Menschen dies mit unterschiedlicher Intention getan: Der Mangel an Gütern, Kostenersparnis oder einfach die Freude am Selbermachen können Gründe sein. Die DDR-Bastler und -Tüftler haben v. a. Dinge aus bereits vorhandenen Gegenständen und Materialien geschaffen. Häufig werden Gegenstände dabei umfunktioniert. Neben dem Wunsch, selbst etwas zu schaffen, stand für die Bastler und Tüftler der DDR oft die Behebung des Mangels an praktischen Gebrauchsgütern und Luxusgütern im Fokus.

Seit 15. Oktober 2024 ist das Museum im Besitz eines Paradebeispiels für die DIY-Kultur in der DDR: Der Balkenmäher Marke Eigenbau, der derzeit in der Remise des Neubauernhauses im Hennebergischen Museum Kloster Veßra ausgestellt ist, wurde gebaut, um Kosten zu sparen. Die Balkenmäher, die es im Handel zu kaufen gab, waren preislich hoch angesiedelt.

Konstruiert und gebaut wurde der Balkenmäher Ende der 1970er Jahre von Ernst Langert aus Hellingen, der das Gerät etwa bis 1984 nutzte. Langert ist lokal bekannt für Kuriositäten. Er besitzt eine Scheune, die gewisse Berühmtheit hat: Vor einigen Jahren schmückte er sie jahresspezifisch als „Weihnachtsscheune“ und „Osterscheune“ im Wechsel, die jeweils mit hunderten blinkenden, tanzenden und wackelnden Dekorationen ausgestattet ist. Heute hat er sich auf die „Osterscheune“ reduziert, die von Interessierten besucht werden kann. Kennt man ihn nicht durch die schrille Scheune, begegnet einem Langert zuweilen auf Festivitäten mit seiner Drehorgel oder seinem grünen „Puppen-Trabi“.

Der Tüftler Langert hegt die Liebe zum Detail, nimmt es ganz genau und neigt zum Übertreiben (im positiven Sinne). Seine Leidenschaft, die er Dingen widmet, spiegelt sich auch in dem Balkenmäher wider, der aus diversen Einzelobjekten montiert ist. Mit Freude hat Langert das Modell Marke Eigenbau dem Museum übergeben – als Schenkung selbstverständlich. Den Transport und das Abladen hat er gemeinsam mit seinem Sohn übernommen. Mit im Gepäck waren ein Läppchen und Politur, um dem Mäher den letzten Schliff zu verpassen. Zudem hat er eine Notiz mitgebracht, in der er die Funktionsweise des Geräts beschreibt:

„Ein altes Mähwerk wurde gekürzt, auf einem Rahmen angebracht und mittels eines SR 2-Mopedmotors über eine Gelenkwelle mit Exzenter in Bewegung gesetzt. Die Kraftübertragung zum Selbstlauf des Gerätes vom Motor auf das Antriebsrad wurde mit einer Kettenübersetzung realisiert. Dabei war zu beachten, dass Vorwärtsbewegung und Schnittgeschwindigkeit für einen sauberen Grasschnitt im Verhältnis stehen. Das heisst, um einen Meter Gras zu mähen, sind 22 Messerbewegungen des Mähwerks nötig. Der Motor wurde durch einen eingebauten Luftflügel als Fahrtwindersatz ständig gekühlt. Die Konstruktionsweise wurde so gewählt, dass alles langlebig und reparaturfreundlich gestaltet war.“

Langert berichtet bei der Übergabe des Balkenmähers, dass er insgesamt vier Wochen in seiner Freizeit nach der Arbeit daran gearbeitet habe. „Wir hatten Wiese und einen Garten und zu mähen. Wir hatten selbst keine anderen Möglichkeiten. Es gab Balkenmäher, aber diese waren vom Preis ganz schön hoch angesiedelt, und ich dachte mir, es muss doch möglich sein, irgendwie so ein Gerät zu konstruieren oder zu bauen. Daher der Eigenbau. Hat auch funktioniert.“

Das Gestell ist selbst geschweißt und grün lackiert. Es besteht aus zwei Teilen: einem Fahrgestell mit Speichenrädern für den Transport und dem Gestell des Balkenmähers selbst. Dem Fahrgestell ist eine Holzlatte aufgesteckt, die als Hilfsmittel dient, den Mäher vom Fahrgestell zu heben. Das Gerüst ist aufgrund seiner Materialität sehr schwer und macht dieses Hilfsmittel sinnvoll. Langert selbst hatte dieses Hilfsmittel nicht gebraucht. Es wurde nachträglich durch ihn montiert, um den Museumsmitarbeitenden das Herunterheben zu erleichtern.

Der Balkenmäher hat ein rotes, massives Antriebsrad, einen roten Mähbalken und einen roten Benzintank, der der eines Mopeds ist. Der Tank zentriert sich, als wäre er das Herz des Objektes. Der Motor wird durch die Bewegung eines Fahrradpedals in Gang gesetzt. Die Kraftübertragung wird mittels Ketten von Fahrrad und Moped realisiert und der Mähbalken wird bewegt. Die Gangschaltung am linken Griff verfügt über zwei Gänge. Am rechten Griff sitzt der Gashebel. Funktionsfähig ist der Mäher aktuell nicht.

Trotz derzeitigem Sammlungsstopp hat es dieses Objekt in die Sammlung des Hennebergischen Museums Kloster Veßra geschafft. Der Balkenmäher Langerts erzählt ein Stück Geschichte. Er zeugt von einer Zeit, in der der perfekte Rasenschnitt entweder vom Geldbeutel oder vom Erfindergeist eines jeden Einzelnen abhing.  

Balkenmäher

Eigenbau von Ernst Langert (*1949), Hellingen/Lkr. Hildburghausen

Metall, Kunststoff, Holz, geschweißt, geschraubt

Maße: 105 cm x 65,5 cm x 142 cm

HMKV, Inv.-Nr. I 464

Literatur und Quellen:

Schunk, Birgitt: „Ein Kamerad für dick und dünn“, in: Freies Wort 20.08.2016 [https://www.insuedthueringen.de/inhalt.thueringen-ein-kamerad-fuer-dick-und-duenn.581ef039-913b-472e-9484-489b976afbe5.html, aufgerufen am 23.10.2024].

Langert, Ernst: Eigenbau-Balkenmäher [Beschreibung des Balkenmähers], Archiv Hennebergisches Museum Kloster Veßra, o. J.

Telefonnotiz Telefonat zwischen Ernst Langert und Laura Körnig am 4.11.2024, Archiv Hennebergisches Museum Kloster Veßra.

Thieme, Teresa: Man muss sich nur zu helfen wissen. Selbstgemacht in der DDR, in: Körnig, Laura/Thieme, Teresa/Stenkamp, Ann-Christin: Man muss sich nur zu helfen wissen. Selbstgemacht in der DDR/Holz-Papier-Textil. Kleine Fibel des Selbermachens („Dokumentation“ der Städtischen Museen Jena, Reihe 29), Jena 2016, S. VII-XXV. 

Hennebergisches Museum Kloster Veßra
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