Lebendige Braukultur in einem Museum? Ja, das geht! Am 8. März ist es wieder soweit: Im Hennebergischen Museum Kloster Veßra ist Brautag. Das dort entstehende Klosterbier kommt anschließend in gläserne Flaschen. Eine dieser Bierflaschen ist das „Objekt des Monats“ März.
Die braune Glasflasche hat einen metallenen Bügelverschluss mit Porzellandeckel und kann 0,75 Liter Bier fassen. In diesem Falle ist sie jedoch leer. Die 32 Zentimeter hohe, braune Bierflasche erzählt trotzdem Museumsgeschichte. Sie wurde vor fünf Jahren in die Sammlung des Museums aufgenommen und dient als Beispiel für das Sammeln von Dingen aus der Gegenwart. Auf dem hellen, gelblichen Etikett der Flasche sind die zwei markanten Türme des Klosters Veßra als Foto abgebildet. Das Bild ist aus östlicher Richtung aufgenommen und wird von einem ovalen, weißen Rahmen umfasst. In diesem Rahmen sind links und rechts zwei Ähren graphisch dargestellt. „Klosterbräu Kloster Veßra“ steht auf einem weißen Banner in dunkelorangener Schrift unterhalb des Bildes mit der Turmfassade. Das Design der Flasche und des Etiketts besteht bis heute. Die Flasche stammt aus dem Glaswerk Schleusingen, wo auch gegenwärtig noch die Bierflaschen seitens des Feuerwehrvereins Neuhof für das Museums bezogen werden. Aus Gründen der Haltbarkeit ist das Glas der Flasche braun gefärbt. Bier wird nämlich durch Lichteinstrahlung schneller schlecht, was durch dunkles Glas reduziert werden kann.
Doch bevor das Klosterbräu-Bier in die Glasflasche abgefüllt werden kann, muss es erstmal entstehen. Das Klosterbier wird seit 25 Jahren regelmäßig im historischen Brauhaus aus Wolfmannshausen bei Römhild gebraut. Dieses Dorfbrauhaus wurde zwar schon 1996 in das Museum Kloster Veßra versetzt, ist aber erst seit 2000 als Museumsbrauhaus in Betrieb. Die Einrichtung umfasst nach wie vor alles fürs Brauen Notwendige: Einen Brauofen mit Kupferkessel, einen Maischebottich und Gärbottiche, ein Kühlschiff mit Hopfensieb sowie eine Pumpe mit Rohrleitung. Seit 1734 hielt die Gemeinde Wolfmannshausen das Braurecht inne und betrieb als Zusammenschluss mehrerer Familien das Dorfbrauhaus. Heute wird nach dem rund 120 Jahre alten Dekoktionsverfahren gebraut. Neue Hygienestandards und Auflagen gestalten das Bierbrauen wie zum Jahre 1734 als schwierig. Dennoch handelt es sich um ein historisches Verfahren, welches gekonnt sein will. Statt der einstigen Gemeinde Wolfmannshausen betreibt nun unser Museumsmitarbeiter sowie geübter Hobbybrauer Kay Lefeld gemeinsam mit der Braugemeinschaft „Henneberger Land“ das Brauhaus, um in mehreren Schritten das köstliche Klosterbier im Museum entstehen zu lassen. Das Dekoktionsverfahren (lat. coquo, coquino = kochen) zeichnet sich dabei durch das wiederholte Aufkochen von Teilen der Maische aus. Maische entsteht durch die Vermengung von geschrotetem Gerstenmalz mit Wasser. An einem Brautag können durch dieses Verfahren in etwa 1.000 Liter Klosterbier hergestellt werden. In die Flaschen abgefüllt wird das Bier im Anschluss durch die obig genannte Feuerwehr Neuhof. Ausgeschenkt wird das Bier zu besonderen Anlässen wie Museumsfesten und steht teils zum Verkauf. Dass das Bier schmeckt, beweist der 2019 erzielte erste Platz der „II. Südthüringer Bierverkostung“. Der Brauverein „Henneberger Land“ erhielt dafür in Bedheim einen Bierpokal. Das Klosterbräu-Bier hat überzeugt.
Bierbrauen blickt im Allgemeinen auf eine lange Tradition zurück und steht oft in enger Verbindung mit Klöstern. Die sonst so enthaltsamen Nonnen und Mönche des Mittelalters machten bei Bier eine Ausnahme, denn dieses galt als Grundnahrungsmittel und wies oft weniger Prozente als das moderne Bier auf. Selbst beim Fasten durfte Bier weiter konsumiert werden. Das Bier der Klöster diente also zumeist dem Eigenbedarf, aber auch pilgernden Menschen, welche durstig in die Klöster zum Übernachten kamen. Dementsprechend hoch war die Nachfrage und die Nonnen und Mönche setzten sich intensiv mit dem Bierbrauen auseinander. Die wichtige Rolle der Klöster beim Bierbrauen zeigt sich auch heute noch am Erhalt von berühmten Marken wie Paulaner, Augustiner oder Franziskaner. Sie alle sind auf Klöster zurückzuführen. Auch in Kloster Veßra gab es vermutlich eine Klosterbrauerei. Näheres zum Bierbrauen durch die Chorherren von Veßra ist bislang jedoch nicht erforscht.
Übrigens: Bis in das 16. Jahrhundert war Bierbrauen hauptsächlich Frauensache. Die Weiterverarbeitung von Getreide zu Brot oder eben auch Bier galt als häusliche Aufgabe. Mit der Verbreitung des Christentums ging jedoch ein strikteres Rollenbild einher, was sich mit der Tätigkeit des Bierbrauens nicht mehr gut verbinden ließ und Frauen wurde das Brauen untersagt. Nur hinter schützenden Klostermauern konnten Frauen in der Rolle von Nonnen weiter brauen, ansonsten übernahmen weitestgehend Männer diese Tätigkeit. Berühmte Frauen, welche mit der Bierbrautradition in Verbindung stehen, sind zum Beispiel Hildegard von Bingen (1098-1179) und Katharina von Bora (1499-1552), welche selber braute. Hildegard von Bingen vertrat im 12. Jahrhundert die Meinung, dass sich Hopfen bestens zum Brauen von Bier eignet. Im Reinheitsgebot von 1516 hält der bayerische Herzog Wilhelm IV. tatsächlich Hopfen neben Wasser und Gerstenmalz als ausschließliche Zutaten beim Brauen fest. Später wurde noch die Hefe als wichtiger Bestandteil ergänzt, doch im Kern gilt dieses Reinheitsgebot bis heute.
Wer hätte also gedacht, dass Bierbrauen und der Frauentag so gut zusammenpassen? Wer Lust hat, mehr über das Brauen oder patriarchale Strukturen zu erfahren, sollte am 8. März in das Hennebergische Museum Kloster Veßra kommen. Tagsüber wird gebraut und es wird Themenführungen rund um die lebendige Braukultur geben, abends wird gegen das Patriarchat gehäkelt und die Rolle der Frau in der damaligen und heutigen Gesellschaft reflektiert. Wir freuen uns auf euch!
Braune Glasflasche mit Schnappverschluss und Etikett, ohne Inhalt, um 2020
Material:
Glas, Metall, Porzellan, Gummi, Papier
Maße:
Höhe: 32 cm, Durchmesser unten: 7 cm
Beschriftung:
„Klosterbräu Kloster Veßra“ (Etikett);
„45 TB 3 0,75l 78,0“ (Prägung unten im Glas)
HMKV, Inv.-Nr. I 227
Literatur:
Adam, Birgit: Köstliche Klosterküche. Bindlach 2005, S. 78-88.
Link, Barbara: Das Bierbrauen im Alten Ägypten. Eine Untersuchung von der Vorzeit bis zum Neuen Reich. Starnberg 2023, S. 11-20.
Westermann, Benedikt/ Klecker, Till: Vom Bierbrauen zur Forschung im 21. Jahrhundert. In: Biospektrum. 28. Jahrgang (2022), S. 11-13.
Internetquellen:
Autor unbekannt: Welche Brauverfahren stecken dahinter? Pils, Alt, Kölsch & Co. Erschienen am 29.01.2025. In: Flens. Online unter: URL: https://www.flens.de/verstehen/detail/arten-von-brauverfahren/ (zuletzt aufgerufen am 10.02.2025).
Autor unbekannt: Why did women stop domination the beer industry? Erschienen am 08.03.2021. In: Smithsonian Magazine. Online unter: URL: https://www.smithsonianmag.com/history/women-used-dominate-beer-industry-until-witch-accusations-started-pouring-180977171/ (zuletzt aufgerufen am 10.02.2025).
Konrad, Dominic: Bier ist Frauensache! Brauende Frauen von Babylon über Hildegard von Bingen bis heute. Erschienen am 22.04.2024. In: SWR Kultur. Online unter: URL: https://www.swr.de/swrkultur/leben-und-gesellschaft/tag-des-bieres-bier-als-frauensache-babylon-hildegard-von-bingen-100.html (zuletzt aufgerufen am 10.02.2025).
Kramper, Gernot: Bierbrauen war Frauensache – bis fanatische Christen die Brauerinnen als Hexen verfolgten. Erschienen am 17.03.2021. In: Stern. Online unter: URL: https://www.stern.de/panorama/wissen/bierbrauen-war-frauensache—bis-fanatische-christen-die-brauerinnen-als-hexen-verfolgten-30432116.html (zuletzt aufgerufen am 10.02.2025).

