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Heute wird geradelt – Zum Weltfahrradtag ist das Objekt des Monats ein Simson-Rad

Heute, am 3. Juni, ist Weltfahrradtag! Dieser Tag soll ein Bewusstsein für die gesellschaftlichen Vorteile des Radfahrens schaffen. Oft sind Fahrräder schließlich die gesündere und umweltschonendere Alternative zu der Anfahrt mit PKWs und zudem weltweit das häufigste Fahrzeug. Mittlerweile sind Fahrräder kaum mehr aus unserem Leben wegzudenken. Von den ersten Laufmaschinen ohne Pedale bis hin zum Hochrad, Mountainbikes, Liegerädern und heutzutage auch vermehrt alles in elektrifiziert: Die gut 200-jährige Geschichte des Fahrrades ist spannend und entwicklungsreich. Zum Tag des Fahrrades ist das Objekt des Monats Juni ein Damenfahrrad der Marke „Simson Suhl“ aus der Sammlung des Hennebergischen Museums Kloster Veßra.

Das Rad kommt am 21. Mai 1999 als Schenkung in das Museum. Der Schenker des Objektes wohnt in Kalkhorst und überträgt dem Museum noch weitere Fahrräder. Wer einst auf diesem Fahrrad fuhr, ist jedoch nicht bekannt. Aufgrund des tiefen Einstieges in den Rahmen des Fahrrades spricht man häufig von einem Damenfahrrad. Heute wird dahingehend so gut wie nie differenziert und es werden kaum mehr Rahmen speziell für Frauen hergestellt.

Die Grundfarbe des Stahlrohrrahmens des Fahrrades ist graubraun mit einer sogenannten Strahlenkopflackierung in hellem Beige und mit orangenen Details. Die Schutzbleche sind ebenfalls graubraun und mit Doppellinien in Beige und Orange verziert. Vor allem an dem hinteren Blech löst sich der Lack stark ab. Der lederne Sattel ist rotbraun. Der linke Griff des Lenkers ist aus schwarzem Kunststoff, der rechte Griff ist nicht mehr erhalten und die Bremse wieder anmontiert. Am hinteren Schutzblech ist ein rotes Rücklicht. Die Felgen der Reifen sind aus Aluminium und 26 Zoll groß. Die Reifen selbst sind von der Marke Stromil das Modell Zebra, hergestellt in Polen. Der hintere Reifen hat einen kaputten Schlauch und ist platt. Am Sattelrohr ist eine Fahrradpumpen-Halterung angebracht. Eine Pumpe ist nicht vorhanden. Einer Prospektabbildung des Fahrrades aus dem Jahr 1956 ist zu entnehmen, dass das Modell einst noch mit Vorderlicht, Klingel, einer Satteltasche und Dynamo ausgestattet war. Eine Gangschaltung hat dieses Modell nicht.

Das Fahrrad weist mehrere Aufschriften auf. Auf einem Schildchen an der Rückseite des Sattels steht der Markenname „Simson“, seitlich am Sattel beidseitig eingraviert ebenfalls. Am Rahmen des Rades, genauer am Unterrohr, steht in weißer Schrift „SIMSON SUHL“. Am Sattelrohr befindet sich das Gütesiegel in Gold. In einem runden Kranz steht „SIMSON SUHL“, am unteren Kranzrand überlappend eine „1“ und darunter eine kaum noch leserliche Nummer. Am vorderen Rohr des Rahmens, welches zum Lenker führt, ist frontal eine Plakette angebracht mit der Aufschrift „SIMSON“ und „VEB FAHRZEUG- U. GERÄTE-WERK SIMSON SUHL“. Am 1. Mai 1952 wurde das Werk zum volkseigenen Betrieb der DDR unter eben jenem Firmennamen und 1968 folgte der Zusammenschluss zum „VEB-Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Ernst Thälmann Suhl“. In diesem Zeitraum zwischen 1952 und 1968 kann folglich die Plakette „VEB Fahrzeug- u. Gerätewerk Simson Suhl“, wie wir es vorliegen haben, verwendet worden sein. Betrachtet man die Geschichte der Simson-Werke Suhl genauer, so erfährt man, dass bereits 1957 die Produktion von Fahrrädern eingestellt wurde. Zwischen 1945 und 1957 sind insgesamt 1.350.000 Fahrräder in den Suhler Werken produziert worden. Die Fahrräder werden vor allem von Mopeds und Kleinrollern abgelöst.

 

Aufgrund der Optik und Beschriftung des Rades kann es letztendlich auf einen Herstellungszeitraum zwischen 1955 und 1956 eingeschränkt werden. Das Rad trägt am Rahmen nämlich die Produktionsnummer 2641084, welche zwischen diese beiden Produktionsjahre fällt. Simson-Räder in jener Ausführung lassen auf das Modell 4a schließen. Die Herrenausführung dieser Reihe trägt den Modellnamen 3a. Diese Modelle laufen unter der Bezeichnung der Tourensporträder. Der Preis des Fahrrades beläuft sich im Jahr 1956 auf 271 DM, umgerechnet etwa 140 €.

Die Geschichte hinter der Firma des Rades ist lang und ereignisreich. Die „Firma Simson & Co.“ wird bereits 1856 von den Brüdern Löb und Moses Simson in Suhl gegründet. Anfangs wird Holzkohlenstahl produziert, im Laufe der Zeit daraus auch Waffen. Ab 1896 greift Simson schließlich die Produktion von Fahrrädern auf. In der NS-Zeit wird der Familie Simson die Firma entzogen. Die Familie mit jüdischen Wurzeln flieht in die USA, während unter dem NS-Regime verstärkt Waffen in ihrer ehemaligen Fabrik hergestellt werden. Ab 1939 entwickelt sich die einstige „Firma Simson & Co.“ zu „Gustloff-Werke – Waffenwerk Suhl“ und damit zum Zentrum der Kriegswaffen-Produktion in Mitteldeutschland. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wechselt das Produktionssortiment von Waffen hin zu Bratpfannen, Äxten, Keilen und anderen Dingen. Der Betrieb läuft ab da unter den Alliierten als Reparation an die Sowjetunion. 1946 trägt das Werk den Namen „Simson & Co. Suhl, Fahrradfabrik der sowjetischen Aktiengesellschaft für Spezialmaschinenbau“.

1955, nun heißt die Firma „VEB Fahrzeug- und Gerätewerk Simson Suhl“ entsteht das erste Kleinkraftrad: die bis heute berühmten Simson-Mopeds. Im Jahre 2002 meldet die „Simson Motorrad GmbH & Co. KG“ Insolvenz an und beendet die langjährige Fahrzeugherstellung in Suhl unter diesem Namen. Als Ort der Erinnerung und Aufbewahrung der Firmengeschichte dient das im Jahr 2007 eröffnete Fahrzeugmuseum Suhl im Stadtzentrum. Dort ist unter anderem das erste Tretkurbelrad ausgestellt, welches 1845 von Heinrich Mylius in Themar, dem Nachbarort von Kloster Veßra, gebaut wurde. Obgleich die Firma Simson heute vor allem aufgrund ihrer Mopeds und Kleinroller wie der Schwalbe ein Begriff ist, soll heute am Weltfahrradtag an ihre Vorgänger erinnert werden, die es auch ganz ohne Motor weit geschafft haben.

Graubraunes Damenfahrrad von „Simson Suhl“,

VEB Fahrzeug- und Geräte-Werk Simson Suhl, 1955–1956

Modell: 4a

Material: Metall, Kunststoff,
Leder

Maße: Breite: 62 cm, Höhe: 103 cm,
Länge: 180 cm

Beschriftung: „SIMSON SUHL“ am
Rahmenrohr, „Simson“ mehrfach am Sattel, „VEB FAHRZEUG- U. GERÄTE-WERK SIMSON
SUHL“ an dem Rohr zum Lenker, das Gütesiegel und die Produktionsnummer „2641084“
am Sattelrohr.

 

HMKV, Inv.-Nr. III 2218

 

 

Quellen:

        Geschichte der Simson in Suhl, in: DDR Zweirad Museum, Wusterhausen/Dosse (https://www.ddr-zweirad-museum.com/simson, zul. aufg. 9.5.2025).

        Geschichte der Simson-Werke Suhl, in: Fahrzeugmuseum Suhl (https://fahrzeug-museum-suhl.de/simson-geschichte/, zul. aufg. 23.5.2025).

        Hadland, Tony/Lessing, Hans-Erhard: Evolution des Fahrrads. V-XII, Berlin 2021.

 

        Simson Modell 4a, in: DDR-Fahrradwiki. (https://ddrfahrradwiki.de/Simson_Modell_4a, zul. aufg. 9.5.2025).

Hennebergisches Museum Kloster Veßra
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