„In erstaunlich kurzer Zeit wächst ein neues Fachwerkgebäude im Agrarhistorischen Museum Kloster Veßra förmlich aus dem Boden“ – so berichtet am 16.6.1981 Siegmar Banz, späterer Direktor des Museums, im Freien Wort über die damals in Umsetzung befindliche sog. Dorfschmiede aus Leutersdorf. An seinem ursprünglichen Standort wurde das Gebäude nicht mehr genutzt. Aufgrund zunehmenden Verfalls sollte es abgerissen werden. Die Umsetzung nach Kloster Veßra bewahrte das Gebäude vor diesem Schicksal. Stattdessen fand die Schmiede eine neue Bestimmung als Ausstellungsobjekt. Heute ist die Schmiede im Hennebergischen Museum Kloster Veßra mit ihrem originalen Inventar aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu besichtigen.
Das eingeschossige Gebäude hat eine sichtbare, schlichte Fachwerkkonstruktion. Es war ursprünglich in Werkstatt und Beschlagstand mit kleiner Kohlenkammer unterteilt. Vor dem Ersten Weltkrieg erfuhr es die räumliche Abtrennung einer Schlosserei bzw. Mechanikerwerkstatt. Der Fußboden des Schmiederaums war ursprünglich aus Beton, der Nebenraum hatte einen Holzfußboden. Heute ist im Schmiederaum Ziegelboden verlegt.
Die Einrichtung der Schmiede ist zweckmäßig. In dem großen Werkstattraum findet sich alles, was es zur Bearbeitung von glühenden Eisen braucht inkl. Geräte zum Hufbeschlag. U. a. befinden sich ein Schmiedeherd mit Schornstein, Schmiedekohle, eine Werkbank mit Zangenschraubstock, eine Stauchmaschine, ein hölzernes Speichenrad, eiserne Wagenreifen und Muster-Hufeisen in dem Raum. Die Schlosserei, die sich diesem Raum angliedert, ist mit einfachen Maschinen zum Bohren, Schleifen und Biegen, einer Gewindeschneide, Feilen und anderen Kleinteilen ausgestattet. Zu sehen sind außerdem Eggen, Zinken, Hufeisenstollen und Kettenglieder.
Der nicht öffentlich zugängliche Dachboden der Schmiede beherbergt zwei große Blasebälge, die mit einem Handgriff neben der Schmiedeesse im Erdgeschoss bedient werden und durch ein Rohr Luft ins Schmiedefeuer leiten.
Der Beschlagstand im Außenbereich des Gebäudes diente dem Beschlagen der Klauen und Hufe von Rindern und Pferden. Er ist mit einem „Not-Stand“ ausgerüstet. Dieser ist leicht auf- und abzubauen. Er kam bei störrischen Tieren zum Einsatz, ebenso Haspel und Rolle rechts des Eingangs zum Beschlagstand. Zudem ist links an der Wand ein Gestell angebracht, das dem Aufziehen der Eisenreifen auf hölzerne Wagenräder diente.
An der Umsetzung der Schmiede waren die zwei Lehrlinge Egon Ebert und Thomas Moses sowie ihr Lehrausbilder Roland Preinesberger (Zwischengenossenschaftlichen Bauorganisation (ZBO) Landbau Suhl, Sitz Wichtshausen) beteiligt. Unter Anleitung zweier erfahrener Zimmerleute, die zum Zeitpunkt der Umsetzung bereits Rentner waren, wurde das Gebäude abgetragen. Ziel war es, „das Gebäude bis zum Tag des Genossenschaftsbauern im Juni 1981 fertigzustellen“.
In einem Interview berichtet Dr. Frank Hofmann aus der Zeit der Translozierung der Schmiede 1981. Er war damals Betriebsleiter der ZBO Wichtshausen. Die ZBO war eine Organisation, die Bauprojekte eigentlich für die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) realisierte. Frank Hofmann war 1975 bereits beim Aufbau des Museums dabei. Folgendes stammt aus den Notizen des Gesprächs:
Damals gab es den Beruf des Baufacharbeiters, der viele Handwerksberufe wie Zimmermann, Betonbauer, Putzer und Maurer vereint. Damals waren Zimmermänner rar, ebenso Holz. Daher war es eine gute Gelegenheit, die Fertigkeiten eines Zimmermanns hier im Museum im Rahmen der Umsetzung der Schmiede zu erlernen. DDR und Plattenbau machten es sonst kaum möglich. Die Translozierung der Schmiede bot eine gute Begründung, Lehrlinge ins Museum zu senden – zu Ausbildungszwecken. Ein gelernter Zimmermann, der damals bereits in Rente war, stand beratend zur Seite und leitete die Lehrlinge an. Museumsmitarbeiter und Handwerker fingen an, Balken zu kennzeichnen und aus anderen Schuppen und Scheunen zu generieren, da einige Balken der Schmiede nicht mehr verwendet werden konnten. Herr Hofmann selbst war weniger vor Ort dabei, hat aber gelegentlich nach dem Stand der Dinge geschaut. Er berichtet vom Richtfest und Richtspruch, welche in der DDR fast ausgestorben waren. Den Richtspruch zur Schmiede übernahm ein Zimmermann, der bereits in Rente war. Eigentlich sollte der Richtspruch der Zensur unterliegend abgeändert werden. Der Zimmermann allerdings beharrte darauf, ihn so zu halten, wie er ihn geschrieben hatte. Zum Richtfest am 25.6.1981 erschien günstiger Weise keine „Prominenz“ aus der Kreis- oder Bezirksleitung, sodass der Richtspruch gehalten werden konnte, wie es der Zimmermann vorgesehen hatte. Damals war Dr. phil. Eberhard Köhler Museumsdirektor. Der spätere Direktor Siegmar Banz hatte die Umsetzung der Schmiede damals scheinbar betreut.
Eine Flurkarte des Gemeindebezirks Leutersdorf von 1980 zeigt den ursprünglichen Standort der Schmiede. Sie grenzte unmittelbar an ein Gewässer und die Hauptstraße an. Der Eigentümer war verstorben, eine Erbin verkauft dem Museum das Gebäude. Doch bevor es an den Kauf geht, wird 1980 eine Wertermittlung vorgenommen. Insgesamt wird der bauliche Zustand als „mangelhaft“ beschrieben. Der damalige Sachverständige für die Wertermittlung, ein Bauingenieur, ermittelt einen Zeitwert von 1.233,- Mark. Zu genau diesem Betrag erwirbt das Museum im Juli 1980 die Schmiede. Bereits im Oktober 1979 kaufte das Museum vom ehemaligen Eigentümer das Inventar der Schmiede für 700,- Mark. Vorläufiger Standort des Inventars blieb zunächst die Schmiede selbst. Für Abbau, Transport und Wiederaufbau, Fundamentierung und Auswechseln schadhaften Holzes kamen noch einmal 17.600,- Mark auf die Rechnung der ZBO Wichtshausen, die den Auftrag „der Umsetzung der Dorfschmiede aus Leutersdorf [als] weitere[n] Schritt zur Errichtung eines kleinen Bauernensembles und der Komplettierung des Agrarhistorischen Museums“ übernahm.
Erst ein Jahr nach der Umsetzung erhält das Museum 1982 die Standortzustimmung des Rats der Gemeinde Kloster Veßra für den Aufbau der Schmiede.
Die Schmiede ist noch heute voll funktionsfähig und wird zu manchen Festlichkeiten des Hennebergischen Museums Kloster Veßra in Betrieb genommen. Die Ruß- und Schmutzschicht, die sich an Wände, Decke und Ausstattungsgegenstände gelegt hat, bestimmt das Aussehen der Werkstatträume damals wie heute.
2024 wurden einige Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen. Der Museumsmitarbeiter und Maurermeister Steffen Sommer hat losen Putz der Fassade entfernt, neu verputzt und Gefache sowie Holzbalken farblich neu gefasst.
Schmiede aus Leutersdorf (Landkreis Meiningen)
1870 erbaut in Leutersdorf (Landkreis Meiningen)
1981 umgesetzt ins heutige Hennebergische Museum Kloster Veßra (ehem. Agrarhistorisches Museum Kloster Veßra)
Holz, Lehm, Stein, Stroh, Metall
HMKV, Bw 2
Literatur und Quellen:
Banz, Siegmar: Leutersdorfer Schmiede »umgezogen«, in: Freies Wort am 16.6.1981.
Banz, Siegmar: Die Objekte des Dorfmuseums, in: Banz, Siegmar, Wölfing, Günther: Hennebergisches Museum Kloster Veßra. Museum für regionale Geschichte und Volkskunde. Museumsführer, Kloster Veßra 1993, S. 67-69.
H., R.: Zimmermannsgruß anläßlich des Richtfestes der Schmiede in Kloster Veßra, 1981. [HMKV, Schriftgutarchiv, A IV Nr. 9]
Interview mit Dr. Frank Hofmann am 30.4.2024. [HMKV, Archiv]
Schreiben zur „Wertermittlung der „Schmiede“ Leutersdorf“, Kloster Veßra, 08.04.1980. [HMKV, Bau- und Planarchiv Bw 2]
Wertermittlung über das Grundstück Leutersdorf, Flurstück-Nr.: 741, Meiningen, 22.06.1980. [HMKV, Bau- und Planarchiv Bw 2]
Kaufvertrag zwischen dem Agrarhistorische Museum Kloster Veßra und O. E. zum Inventar der Schmiede, Kloster Veßra, 09.10.1979. [HMKV, Archiv]
Kaufvertrag zwischen dem Agrarhistorische Museum Kloster Veßra und A. E. zur Schmiede, Kloster Veßra, 02.07.1980. [HMKV, Bau- und Planarchiv Bw 2]
Vereinbarung zwischen dem Agrarhistorischen Museum Kloster Veßra und der Zwischengenossenschaftlichen Bauorganisation Wichtshausen, Kloster Veßra, 17.10.1980. [HMKV, Bau- und Planarchiv Bw 2]
Zimmermannsgruß anläßlich des Richtfestes der Schmiede in Kloster Veßra
vorgetragen von R[.] H[.] / Dillstädt. [HMKV, A IV Nr. 9]
Hochverehrte Anwesende !
Wie nach alter Handwerkersitte
Steh ich hier auf luftigen Tritte,
Die höchste Kanzel in der Welt,
unterm blauen Himmelszelt.
Bedenkt, ich bin ein Zimmermann,
Der nicht studiert reden kann.
Trotzdem hört in aller Ruh
meiner schlichten Rede zu.
Unser Handwerk, das ist schwer,
dennoch lieben wir es sehr.
Bei Sonne und Regen, Kälte und Schnee,
tun uns Rücken und Arme oft weh.
Unser Arbeitsplatz ist zwischen Himmel und Erde
und bringt uns, bei Gott, so manche Beschwerde.
Aber sagen’s wir frei und von Herzen ehrlich:
Für alle Bauherrn sind wir unentbehrlich.
In früheren Zeiten die Parole hieß:
Kaiser und Fürst uns rufen ließ.
Ob Herzog, Mönche oder Grafen
sie alle brauchten unser Schaffen.
Durch die Geschichte bis in die Tage von heute
Benötigt man tüchtige Zimmerleute.
Ob Staatsrat, Minister oder Demokraten,
Sie alle müssen uns Handwerker haben.
Und die junge Generation,
Was wäre sie ohne die „Alten“ schon ?
Im Zeitalter aber der Nostalgie
Sucht man uns Fachleute wie noch nie.
So auch die Denkmalpflege in ihrem Bemühn
Wenn in Veßra alte Zeiten entstehn.
Im Kloster von einst, dem Museum von heute
Sehen von Nah und Fern die Leute:
Kirche, Bauernhaus und Schmiede
Den Restauratoren bereiten sie Nöte.
Doch heute ist wieder ein Schritt getan
Mit großem Fleiß und viel Elan.
Die Schmiede versetzt an diesen Ort
Termingerecht, ist das ein Wort !
Wo einst die Mönche residierten
Sehen heut die Interessierten:
Ein Ausschnitt aus der Vergangenheit
Erstaunen der Gäste weit und breit.
Kloster und Agrargeschichte
Geben Veßra das Gewichte.
Doch unterstreicht auch dieser Ort
Die Wahrheit von dem alten Wort:
Dem Alten bewahre die Treue,
doch stemme dich nicht gegens Neue.
Zum Dank will ich das Glas erheben
Alle Bauschaffenden, sie sollen leben !
Und nun sprech ich kurz den Toast
Auf Euch Ihr Freunde, Prost !

