Mit diesem Beitrag startet unsere neue Reihe zum Thema Sammeln im Museum. Wir möchten Ihnen exklusive Einblicke in unsere Museumssammlung und in unsere Sammlungsarbeit geben: Was und wie sammelt das Museum? Warum werden manche Objekte in die Museumssammlung aufgenommen und andere nicht? Wie werden Museumsobjekte aufbewahrt? Woher kommen die Objekte? Wieso werden einige Objekte wieder entsammelt? Antworten auf diese und weitere Fragen finden Sie in den Beiträgen, die in loser Folge erscheinen.
Außerdem möchten wir Sie einbinden: Was wollten Sie schon immer mal über unsere Museumsarbeit, unsere Museumssammlungen und unsere Sammlungsarbeit wissen? Schreiben Sie uns: info[at]museumklostervessra.de .
Wir beginnen mit einem Beitrag zum Thema „Sammeln der Gegenwart“.
Gegenwartssammeln ist die Bezeichnung für die Musealisierung von Dingen aus der Gegenwart. Ein schönes Beispiel hierfür sind unsere aktuellen Sammlungszugänge:
Das Plakat mit der roten Aufschrift „Liebe ist die Antwort“ hing im Frühling 2024 im Landkreis Hildburghausen, als der Kommunalwahlkampf für den 26. Mai 2024 auf dem Höhepunkt war. Doch das Plakat ist älter: Schon 2017 wurde es im Rahmen einer Plakataktion des Bündnisses gegen Rechtsextremismus Schleusingen und des Bündnisses gegen Rechtsextremismus Hildburghausen hergestellt und findet seitdem seinen Einsatz bei Demonstrationen. Das aktuelle Logo des Bündnisses für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra wurde später zusätzlich auf das Plakat aufgeklebt. Das Plakat auf der Hartfaserplatte zeigt deutliche Spuren seiner langjährigen Nutzung.
Plakat „Liebe ist die Antwort“, 2017
Bündnis gegen Rechtsextremismus Schleusingen, Bündnis gegen Rechtsextremismus Hildburghausen
Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra
Material und Technik: Papier, bedruckt, bemalt und beklebt, Hartfaserplatte
Maße: Höhe 86 cm, Breite 61 cm
HMKV, Inv.-Nr. I 455
Literatur
Andreas Ludwig: Geschichte von morgen. Über das Sammeln von Gegenwart in historischen Museen. Göttingen 2024..
Fotos
cc HMKV
Hintergrund ist das seit 2015 starke Anwachsen extrem rechter Aktivitäten in Südthüringen und das gesamtpolitische Geschehen im Jahr 2024. Rund die Hälfte der Weltbevölkerung ist 2024 zu Wahlen aufgerufen. Wegweisende Entscheidungen für die Demokratien in unserer Welt werden erwartet. Allein in Thüringen finden drei Wahlen statt: die genannten Kommunalwahlen am 26. Mai, die Europawahl am 9. Juni und am 1. September die Landtagswahl. Die Brisanz der Neonazi-Aktiven wird deutlich. Im Landkreis Hildburghausen kam es zur Stichwahl zwischen dem Kandidaten der Freien Wähler, Sven Gregor, und dem Kandidaten Tommy Frenck des BZH (Bündnis Zukunft Hildburghausen), das als führende neonazistische Gruppierung im Landkreis Hildburghausen gilt. Die bundesweite mediale Aufmerksamkeit war groß. Der Ausgang der Stichwahl wurde mit Spannung erwartet. Und in diesem Zeitraum prägten Wahlplakate und Protestplakate das Straßenbild des Landkreises. Mit verschiedenen Aktionen und Plakaten machte das Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra auf die politische Lage aufmerksam, um den Neonazi als Landrat zu verhindern.
Das Team Sammlung des Hennebergischen Museums Kloster Veßra sieht in den Plakaten Zeugnisse der Zeitgeschichte und will diese in die Sammlung aufnehmen. Beim Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra geht der Wunsch auf: Drei Plakate, darunter das hier gezeigte, und ein Banner können in die Museumssammlung aufgenommen werden.
Nur die Nachfrage beim Kreistagsmitglied Tommy Frenck vom BZH für ein Wahlplakat bleibt unbeantwortet. Hier wird das Museumsteam kreativ, macht Fotos der öffentlich aufgehängten Plakate und nimmt die gewonnenen Bilddaten in die Museumssammlung auf.
Die gesammelten Objekte sind wichtige Zeugnisse aktueller Ereignisse. Sie spiegeln die Zerrissenheit, aber auch die Stimmung im Landkreis Hildburghausen wider. Die Objekte erlauben es in Zukunft, diese Geschichte und Problematik darzustellen.
Darüber hinaus passt das Plakat „Liebe ist die Antwort“ zum Jahresmotto „Liebe“ des Hennebergischen Museums Kloster Veßra. Mit „Liebe“ zeigt unser Museum im Bewusstsein seiner gesellschaftlichen Rolle Haltung. Die demokratischen Grundwerte sind im Leitbild des Museums verankert und werden im Museumsalltag gelebt.
Dr. Meike Leyde