Das Hennebergische Museum Kloster Veßra hat schätzungsweise 20.000 Sammlungsobjekte in seinem Bestand. Die größten Objekte sind die Gebäude, die zum Teil vor Ort errichtet und zum Teil aus verschiedenen Regionen des Henneberger Landes ins Museum transloziert (umgesetzt) wurden. Das Repertoire umfasst Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Handwerkerhäuser und ehemals kommunal genutzte Bauwerke, die die Vielfalt historischer Bauformen und die Lebens- und Arbeitswelten im Henneberger Land zeigen.
1979/1980 wurde das erste Haus in unser Freilichtmuseum transloziert (Abb. 1, Abb. 2). Es stammt aus Witzelroda bei Bad Salzungen. Als Objekt des Monats März möchten wir es nun näher vorstellen. Das Wohnhaus mit integriertem Stall wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts errichtet und war Teil eines Bauernhofes. An seinem ursprünglichen Standort waren ihm noch eine Remise, ein Schweinestall und eine Scheune angegliedert, sodass sich eine L-förmige Hofanlage ergab. Diese drei Bauten wurden nicht transloziert. Außerdem mussten Teile der originalen Bausubstanz ersetzt werden. So konnte bspw. die alte Dacheindeckung aus keramischen Rinnziegeln mit Strohschindeldichtung nicht übernommen werden. Auch die Fachwerkhölzer im Erdgeschoss sind rekonstruiert.
Seine ursprüngliche Lage zur Straße und ein stark steigendes Gelände machten das Haus sehr gut sichtbar. Zudem führte unweit des Hauses der Weg zur Kirche. Dies begründet seine auffällige Gestaltung an der Schaufassade. Vor allem das Obergeschoss präsentiert sich mit verschiedenen Zierelementen. Zu sehen sind u. a. geschweifte Andreaskreuze, Rähmbalken mit Zahnschnitt und taustabverzierte Füllhölzer zwischen profilierten Balkenköpfen, die farblich in Gelb, Rot und Grün gehalten sind. Links und rechts der Schiebeläden finden sich herzförmige Verzierungen (Abb. 3), die ausschlaggebend waren, das Haus als Objekt des Monats auszuwählen. Die Liebe steckt eben im Detail.
Das Haus hat an der Schauseite zwei Klöntüren – also quergeteilte Türen, bei denen es möglich ist, nur die obere Hälfte des Türflügels zu öffnen. Eine praktische Sache, da so zwar Licht und frische Luft ins Innere dringen und man mit dem Nachbarn „klönen“ (etwa Klatsch und Tratsch austauschen) kann, Tiere jedoch am Entwischen oder Eindringen gehindert sind. Auch Rauch kann so entweichen.
Die linke Tür führt in den Stall, die rechte in den Wohnbereich des Hauses. Im Wohnbereich gibt es verschiedene Räume, die unterschiedliche Funktionen hatten: Wirtschaftsraum, Küchenkammer, Stube, Schlafkammern, Abstellkammer, Wurstkammer und einen „versteckten Raum“. Die Funktionen der einzelnen Räume sind heute aufgrund der Nutzung als Präsentationsflächen für Ausstellungen teils nur noch zu erahnen. So ist die Wurstkammer nur durch die an der Decke angebrachten Nägel, an denen einst die Würste zum Trocknen hingen, als solche zu erkennen.
Der Wirtschaftsraum und der „versteckte Raum“ sind besonders spannend. Ersterer wird auch als „schwarze Küche“ bezeichnet. Er ist mit einem gemauerten Herd ausgestattet, an dem bei offenem Feuer gekocht wurde (Abb. 4). Das offene Feuer und der damit entstehende Rauch führten dazu, dass sich die Decke und etwa das obere Viertel der Wände durch Ruß und Teer schwarz färbten. Auch hier hat der Umzug ins Museum dazu geführt, dass die ursprüngliche Raumwirkung verloren gegangen ist. Decken und Wände sind weiß gestrichen und die „schwarze Küche“ lässt sich nur noch gedanklich rekonstruieren. Über dem Herd wurden einige Steine der gemauerten Wand in ihrer ursprünglichen Farbigkeit belassen, sodass erahnt werden kann, wie düster die Küche einst gewesen sein muss, als noch ein Großteil des Raumes mit Ruß und Teer bedeckt war.
Der „versteckte Raum“ im Obergeschoss besitzt keine Tür. Er ist nur durch ein ausgespartes Gefach in der Wand begehbar. In Notzeiten sollte er wertvolle Dinge wie Getreide verwahren und vor Plünderungen schützen. Den Zugang zum Versteck versperrte vermutlich ein Schrank, weshalb auch heute an dieser Stelle ein Schrank als Exponat dient (Abb. 5). Heute kann man durch ein mit Plexiglas versehenes Gefach in das Innere des Raumes schauen (Abb. 6, Abb. 7). Ob es je notwendig war, diesen Raum zu nutzen?
Laura Körnig
Literatur: Banz, Siegmar: Die Objekte des Dorfmuseums, in: Banz, Siegmar, Wölfing, Günther: Hennebergisches Museum Kloster Veßra. Museum für regionale Geschichte und Volkskunde. Museumsführer, 2. verbesserte Auflage, Kloster Veßra 1993.
Fachwerkhaus aus Witzelroda /
„Witzelroda I“
ursprünglich Wohnhaus einer L-förmigen Hofanlage
Erbaut in der ersten Hälfte des 17. Jh. in Witzelroda
umgesetzt 1979/80 ins Hennebergische Museum Kloster Veßra
Holz, Lehm, Stein, Stroh
HMKV